Nahost-Konflikt: Wem gehört Palästina? Eine kurze Geschichte der Besiedelung

Phönizier, Ägypter, Juden, Muslime, Perser, Briten, Osmanen. Das, was heute Palästina heißt, wird nicht umsonst als „Trampelpfad der Geschichte“ bezeichnet: Alle waren schon einmal auf ihm unterwegs. Ein kurzer Überblick, wem der Landstrich mal gehörte.

Hier heißt es „Eretz Israel„, dort „From the River to the sea, (Palestine will be free)“. Gemeint ist, geografisch, exakt das gleiche: das Gebiet vom Fluss Jordan bis ans Mittelmeer. Politisch aber stehen sich die Kampfbegriffe unversöhnlich gegenüber. Denn auf der einen Seite fordern nationalreligiöse Juden ein „Großisrael“, das sich an dem in der Bibel beschriebenen Gebiet orientiert. Auf der anderen Seite beanspruchen die Palästinenser das im Wesentlichen gleiche Stück Land für sich – ebenfalls mit Verweis auf die Historie.

Palästina als „Trampelpfad der Geschichte“

„Trampelpfad der Geschichte“ nennen manche den Teil der Levante, der je nach Epoche und Perspektive Kanaan, Südsyrien, Heiliges Land oder heute eben Palästina heißt. Beinahe der gesamte Nahostkonflikt beruht auf dem Streit darüber, wem welche Gebiete gehören, wer wo siedeln darf und wie sich die Ansprüche begründen. Wie das aber nun mit Trampelpfaden so ist: Jeder war schon mal drauf und kein Schild hindert irgendjemanden daran, ihn ebenfalls zu benutzen. Anders gesagt: In der Besiedelungsgeschichte haben sich in vielen Tausend Jahren fast ein Dutzend Völker, Imperien und Armeen über Palästina hergemacht.

Glossar Nahostkonflikt Israel 21.00

Die Gegend ist besiedelt, seit es Menschen gibt, zumindest aber seit die aus Afrika in die Welt hinausgezogen sind. Am Rande des Fruchtbaren Halbmonds gelegen und damit im Hotspot der damaligen Moderne (Ackerbau, Sesshaftigkeit), fanden die Großreiche wie die der Ägypter, Hethiter und Perser Gefallen am heutigen Palästina. Eines der ersten Völker in der Levante waren die Phönizier, Händler aus dem Mittelmeerraum. Sie gründeten im 2. Jahrtausend vor Christus Städte wie Beirut und Byblos, und gelten als diejenigen, die erstmals die Farbe Purpur herstellen konnten. Von den Nachbarn wurden sie Kanaaniter genannt.

Und Gott sprach …

Laut des Tanachs, der jüdischen Bibel, die bei den Christen dem Alten Testament entspricht, hat Gott den Israeliten befohlen, das Land der Kanaaniter, das heutige Westjordanland, zu erobern. Denn der Überlieferung nach ist dies die ursprüngliche Heimat der Zwölf Stämme Israels. Die Rückkehr gelang. Ob sie allerdings friedlich durch Besiedelung oder durch Krieg geschah, ist umstritten. Die sogenannte Landnahme im 15. Jahrhundert vor Christus, gilt jedenfalls als einer der bedeutendsten Wegpunkte in der Geschichte Israels.

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Auch immer noch existierende Orte wie Gaza, Aschkelon und Aschdod spielten als Handelszentren bereits eine Rolle – für die herrschenden Ägypter. Die wurden ab 1200 vor Christus von den Philistern abgelöst, die lange mit den Israeliten um die Macht im Landesinneren rangen. Ihnen folgten die Römer. Sie richteten um das Jahr 30 herum in Jerusalem einen jüdischen Revoluzzer namens Jesus Christus hin. 600 Jahre später eroberten Muslime die Region, die kurzzeitig wieder von den christlichen Kreuzfahrern vertrieben wurden. Die wiederum mussten den Mamluken weichen, nichtmuslimische, unfreie Soldaten.

600.000 Muslime und 80.000 Juden

1516 dann wurde Palästina Teil des Osmanischen Reichs und blieb es, bis es mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, womit auch ein Teil des aktuellen Konflikts begann oder besser – fortgesetzt wurde. Schon unter den Osmanen verkümmerte die einst florierende Hauptverkehrsroute der Menschheit. Damals lebten schätzungsweise 750.000 Menschen dort, davon 600.000 Muslime, 80.000 Juden sowie Christen und Drusen. Die britische Mandatsmacht sorgte mit zwei sich widersprechenden Versprechen für die heutigen Verwirrungen. Für die Hilfe bei einer Revolte gegen die Osmanen sollten die Araber Land erhalten und für die Gründung einer „nationalen Heimstätte“ sollten Juden Land erhalten. Später mischte sich noch, natürlich, Nazideutschland ein und das Pendel der Weltläufte wandte sich zugunsten der Araber.

Wem also gehört nun das Heilige Land, das seit Jahrzehnten nicht zur Ruhe kommen will und kann? Nach dem Zweiten Weltkrieg entschieden die Vereinten Nationen, dass sich Juden und Araber den kleinen Flecken teilen sollten. Der Norden, das Westjordanland, der Gazastreifen sowie ein Teil am Rand des Sinai sollten an die arabische Bevölkerung gehen, die erst im Laufe der Jahre Palästinenser genannt wurden. Während die Juden den Plan begrüßten, lehnten ihn die arabischen Noch-Nicht-Nachbarn ab. Quasi im Moment der Ausrufung des Staates Israels am 14. Mai 1948 begannen Jordanien, der Irak, der Libanon, Ägypten und Syrien mit dem Angriff auf das junge Land.

„Eretz Israel“ oder „From the River to the sea“?

Fast ein Jahr lang tobten die Kämpfe, Sieger war eindeutig Israel. Das Westjordanland wurde von Jordanien besetzt, der Gazastreifen von Ägypten und der jüdische Staat konnte sein Gebiet vergrößern. Alle drei Staaten haben mittlerweile Friedensverträge miteinander unterzeichnet. Dennoch versinkt der Nahe Osten immer wieder in Kriegen. Rund zehn gewaltsame Konflikte zwischen Israel und seinen Nachbarn hat es seit der Staatengründung gegeben. Bis in die 60er Jahre hinein waren es die Araber, die versucht haben, Israel von der Landkarte zu tilgen – erfolglos. Danach griffen die jüdischen Truppen zweimal den Libanon und vier Mal den Gazastreifen an.

FS Länder, die die Palästinenser unterstützen 10.10

Also „Eretz Israel“ oder „From the River to the sea“? Die Forderungen der Ultranationalisten auf beiden Seiten sind historisch gesehen nicht haltbar und werden ohnehin kaum einen Beitrag zur Lösung des Konflikts liefern – allein schon, weil sie die Existenz des jeweils anderen (Staats) unmöglich machen. So wie jetzt aber wird es kaum weitergehen können.

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