Nach den Grundsatzbeschlüssen für einen neuen Friedensanlauf für Libyen beginnt die Detailarbeit. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und seine europäischen Kollegen wollen heute in Brüssel über die Ergebnisse des Berliner Gipfels beraten.
Dort hatten sich die in den Bürgerkrieg verwickelten Staaten zu einer Einhaltung des Waffenembargos und einem Ende der militärischen Unterstützung für die Konfliktparteien verpflichtet.
Maas zeigte sich zuversichtlich, dass die Berliner Vereinbarung den militärischen Konflikt beenden kann und einen politischen Prozess zum Frieden eröffnet. «Ich glaube, dass alle erkannt haben, … dass es keine militärische Lösung gibt, und dass alle eigentlich ein Interesse daran haben müssen, dass dieser Krieg beendet wird», sagte er am Sonntagabend im ZDF. «Das ist der eigentliche Erfolg dieser Konferenz.»
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einer umfassenden Einigung auf politische Schritte für eine Friedenslösung unter dem Dach der Vereinten Nationen. Alle Beteiligten hätten deutlich gemacht: «Es gibt keine militärische Lösung.»
US-Außenminister Mike Pompeo sagte auf dem Rückflug aus Berlin, die Libyen-Konferenz habe zumindest dazu beigetragen, dass künftig weniger Waffensysteme und weniger neue Streitkräfte die Region erreichen werden. Aber: «Es gibt immer noch viel Arbeit zu tun.»
Zur Frage einer Beteiligung der Bundeswehr an der Überwachung einer Friedenslösung mahnte Merkel: «Ich finde, wir dürfen jetzt doch nicht den übernächsten Schritt vor dem ersten diskutieren.» Maas sagte, zunächst müsse aus der brüchigen Waffenruhe ein dauerhafter Waffenstillstand werden. «Und dieser wird auch beobachtet werden müssen. Da geht es nicht gleich um Militäreinsätze, da kann es erst mal um Beobachtermissionen gehen. Und darüber wird jetzt zu reden sein.» Maas wies dabei auch auf das Treffen der EU-Außenminister hin.
Zudem würden sich in der ersten Februarhälfte alle Außenminister der an der Berliner Konferenz beteiligten Staaten und die internationalen Organisationen in Deutschland «wiedertreffen, um diesen Prozess zu begleiten, zu beobachten und auch dafür zu sorgen, dass er bei den Menschen in Libyen ankommt», kündigte Maas an.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte vor der Konferenz gesagt, wenn ein nachhaltiger Waffenstillstand vereinbart sei und international abgesichert werden müsse, «wird natürlich auch die Frage kommen, wie soll das geschehen». Dass sich dann Deutschland «mit der Frage auseinandersetzen muss, was können wir dazu einbringen, das ist vollkommen normal».
In der Berliner Erklärung der 16 beteiligten Staaten und Organisationen heißt es, internationale Anstrengungen zur Überwachung des Waffenembargos sollten verstärkt werden. Gefordert wird eine umfassende Demobilisierung und Entwaffnung der Milizen. Verletzungen eines Waffenstillstandes sollen sanktioniert werden. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell könnte am Montag in Brüssel Vorschläge präsentieren, wie die EU die Berliner Beschlüsse unterstützen könnte.
Die Umsetzung von Waffenembargo und Waffenstillstand zu überwachen, sollte Aufgabe der Europäer sein, forderte der Vizevorsitzende der Unionsbundestagsfraktion, Johann Wadephul. «Wir können nicht tolerieren, dass Libyen auf lange Sicht Tummelplatz für Waffenschmuggler, Menschenhändler und islamistische Terroristen bleibt.» Der FDP-Außenpolitiker Bija Djir-Sarai sagte: «Europa muss bereit sein, an einem Friedenseinsatz unter UN-Führung auch mit Personal teilzunehmen.» Seine Grünen-Kollegen Agnieszka
Brugger und Omid Nouripour erklärten dagegen: «Es ist noch zu früh,
über einen Bundeswehreinsatz zu diesem Zweck zu spekulieren.»
In Libyen war nach Sturz und Tötung des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi 2011 ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Die Regierung von Ministerpräsident Al-Sarradsch ist international anerkannt, hält aber nur kleine Gebiete rund um die Hauptstadt Tripolis im Westen des Landes. Gegen Al-Sarradsch kämpft der General Chalifa Haftar mit seinen Verbündeten, die weite Teile des ölreichen Landes beherrschen und ebenfalls aus dem Ausland unterstützt werden.
Nach Berlin gekommen waren auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der Al-Sarradsch unterstützt, und Russlands Präsident Wladimir Putin, der auf Haftars Seite steht. Auch Al-Sarradsch und Haftar waren vor Ort, wenn auch nicht am Verhandlungstisch dabei. Maas sagte, er und Merkel hätten beide getrennt getroffen und dabei auch über die blockierten Ölhäfen in dem Land gesprochen. «Beide Seiten haben sich grundsätzlich bereit erklärt, dafür eine Lösung zu finden.»
Kanzlerin und Außenminister betonten aber auch, dass der Gipfel nur ein erster Schritt in einem längeren Prozess sei. «Ich mache mir keine Illusionen, dass das natürlich noch eine schwierige Wegstrecke sein wird», sagte Merkel. Maas sagte, dass man sich mit dem Gipfel nur den Schlüssel zur Lösung des Konflikts besorgt habe.
Auf die Berliner Konferenz sollen nun rasch weitere Schritte folgen. Beide Konfliktparteien hätten jeweils fünf Teilnehmer für eine zehnköpfiges Gremium benannt, das die Grundlagen für einen gefestigten Waffenstillstand schaffen solle, sagte Merkel. Die Einladung solle noch in der kommenden Woche verschickt werden. Aktuell gibt es in dem Bürgerkriegsland nur eine Waffenruhe.
Das Konferenzpapier formuliert einen neuen politischen Prozess, der eine Stärkung der zentralen Institutionen zum Ziel hat und auf eine Rückkehr zum politischen Prozess unter Führung der Vereinten Nationen abzielt. Eine Reform des Sicherheitssektors müsse das Gewaltmonopol des Staates wieder herstellen, heißt es darin. Gefordert wird auch eine transparente und gerechte Verteilung der Öleinnahmen im Land.
Maas hält es auch für nötig, über die EU-Rettungsmission «Sophia» im Mittelmeer neu nachzudenken. Mit Blick auf die Flüchtlingslager in Libyen sagte er in der ARD: «Ich kann ja nicht sagen, ich halte die Zustände für unmenschlich, und dann befürworten, wenn Leute dahin zurückgebracht werden. Über „Sophia“ werden wir ja sowieso wieder reden müssen.» Die EU beschränkt sich derzeit bei ihrer Mission auf die Ausbildung der libyschen Küstenwache, hat aber keine eigenen Schiffe mehr vor Ort, die über das Mittelmeer nach Europa strebende Migranten vor dem Ertrinken retten könnten.
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