Hunderte Demonstranten in Polen solidarisieren sich mit Richter

In Polen haben sich hunderte Demonstranten mit einem Richter solidarisiert, dem der Entzug seines Schutzes vor Strafverfolgung droht.

In Polen haben sich hunderte Demonstranten mit einem Richter solidarisiert, dem der Entzug seines Schutzes vor Strafverfolgung droht. Die landesweiten Proteste am Montag wurden von der pro-demokratischen Bewegung KOD zusammen mit anderen Bürgerrechtsgruppen sowie Vertretern von Justizpersonal organisiert. Sie fanden am Vortag einer Sitzung der umstrittenen Disziplinarkammer für Richter statt. Die Kammer will darüber beraten, ob dem Warschauer Richter Igor Tuleya seine Immunität entzogen werden soll.

Tuleya könnte der erste Richter werden, der seinen Schutz vor Strafverfolgung und „als Ergebnis sogar seine Freiheit“ verliere, erklärten die Organisatoren der Proteste. Die Demonstrationen fanden unter anderem in Warschau, Danzig, Posen (Poznan) und Lodz statt. An ihnen nahmen jeweils bis zu 150 Menschen teil. Größere Menschenansammlungen erlauben die polnischen Regeln zum Schutz vor dem Coronavirus derzeit nicht.

Tuleya wird von Staatsanwälten vorgeworfen, er habe seine Zuständigkeiten überschritten, als er die Medien zu einer Gerichtsanhörung zuließ. In der Anhörung ging es darum, ob die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) bei einer Parlamentsabstimmung im Jahr 2016 die Regeln gebrochen hatte.

Der 49-jährige Richter nahm selber an der Demonstration vor dem Obersten Gericht in Warschau teil. „Freie Gerichte lassen sich einem freien Volk nicht wegnehmen“, sagte er. Die Menge rief: „Wir stehen hinter Igor“.

Die im Jahr 2018 eingerichtete Disziplinarkammer für polnische Richter wird als Institution auch von der EU scharf kritisiert. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im April angeordnet, dass die Kammer bis auf Weiteres nicht mehr eingesetzt werden darf. Nach Auffassung der EU-Kommission stellt die Kammer ein Risiko für die Unabhängigkeit der polnischen Gerichte dar.

Am Montag forderte die EU-Kommission die polnische Regierung auf, den EuGH-Beschluss zur Aussetzung der Arbeit der Disziplinarkammer umzusetzen. Bisher habe „Polen nicht alle notwendigen Schritte unternommen, um der Anordnung nachzukommen“, sagte ein Sprecher in Brüssel. Justizkommissar Didier Reynders habe sich deshalb am Freitag an die polnische Regierung gewandt und eine Klarstellung bis zum 24. Juni gefordert.

Der Regierung in Warschau wird seit Jahren vorgeworfen, die Unabhängigkeit der Justiz und die Gewaltenteilung zu untergraben. Mit den EU-Institutionen liegt sie deshalb schon lange über Kreuz.

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