Im Jahr 1945 warfen die USA zwei Atombomben auf Japan ab. So ersparten sie ihren Truppen eine Landung auf den japanischen Hauptinseln und sie zeigten dem Herrscher der UdSSR, Josef Stalin, dass seine riesige Armee hilflos vor der Macht der Bombe war.
Eine rücksichtslose Aufholjagd begann, schon am 29. August 1949 konnten Sowjets ihre erste eigene Atombombe in Kasachstan zünden. Nach den Atomwaffen folgte ein Wettlauf um die Wasserstoff-Bombe. Bei diesem Typ diente die Atomexplosion nur als Zünder, der eine Verschmelzung von Wasserstoff-Atomen auslösen sollte. Die eigentliche Herausforderung der Atombombe ist die Herstellung von genügend spaltbarem Material – die Explosion selber konnte durch eher brachiale Methoden imitiert werden. Der Bau einer funktionierenden Fusionswaffe war ungleich komplizierter. Doch hatte die H-Bombe einen einzigartigen Vorteil. Die Explosionskraft einer Atombombe konnte nicht beliebig gesteigert werden, anders bei der Wasserstoff-Bombe. Hier gibt es keine theoretische Grenze, die Waffen konnten immer stärker werden.
1961 war die stärkste Bombe der Welt einsatzbereit. In der UdSSR hieß die Monsterbombe offiziell Projekt 27000. Ein Spitzname war „Kuzkas Mutter“ – bekannt wurde sie allerdings als die „Zaren-Bombe“.Vidoe
Der „Zar“ war zu groß für den Bomber
Es war eine monströse Konstruktion. Das Layout der Hülle sah den US-Bomben „Little Boy“ und „Fat Man“, ähnlich. Wenn diese Waffen nicht Hiroshima und Nagasaki verwüstet hätte, würde man angesichts der plumpen Körper glauben, sie stammten aus einem Theaterfundus. Der „Zar“ war allerdings ungleich größer. Die Bombe war acht Meter lang und besaß einen Durchmesser von 2,6 Metern. Das Gerät war 27 Tonnen schwer. Die Bombe passte nicht in den Bombenschacht der sowjetischen strategischen Bomber vom Typ Tu-95. Sie musste außenbords transportiert werden.FOAB17.30
Angeblich wurde die Bombe auf den Wunsch von Nikita Chruschtschow entwickelt, der die USA mit der mächtigsten Waffe der Welt beeindrucken wollte. Ein Renommee-Projekt. Für militärische Ziele wie einen Stützpunkt oder eine Panzergruppe war diese Waffe vollkommen überdimensioniert – sie sollte nicht nur eine Innenstadt verwüsten, so wie es in Hiroshima geschah, der „Zar“ würde eine ganze Stadt inklusive Vorstädten komplett ausradieren. Die „Zaren-Bombe“ wurde für den Weltuntergang gebaut.
Risiko für die Besatzung
In einem echten Kriegseinsatz hätte die Besatzung der Tupolew nicht überleben können, sie wäre im Feuerball der Explosion mit verglüht. Für den Test-Einsatz am 30. Oktober 1961 über einem Archipel in der Barentssee glaubte man, dass die zwei eingesetzten Flugzeuge und ihre Besatzung immerhin eine 50 prozentige Chance hätten, den Abwurf zu überleben. Das Risiko, die Männer zu verlieren, ging man in der Zeit des Kalten Krieges bedenkenlos ein. Auch die Besatzungen sollen das Risiko gekannt haben. Neben der Tu-95 wurde ein kleinerer Bomber eingesetzt, um den Test zu filmen.
Der Pilot des Bombers, Andrei Durnovtsev, warf die „Zaren-Bombe“ aus etwa zehn Kilometern Höhe ab. Damit die Maschinen entkommen konnten, schwebte die Bombe an einem riesigen Fallschirm vom Himmel, bis sie in 3940 Metern Höhe detonierte. Da waren die Flugzeuge bereits 50 Kilometer weit entfernt. Die Explosion führte zu einem acht Kilometer großen Feuerball, der Lichtblitz war noch in 1000 Kilometern Entfernung zu sehen. Der Bombenpilz war 64 Kilometer hoch. Am Boden waren die Auswirkungen so wie erhofft: apokalyptisch. In einem Dorf, immerhin 55 Kilometer weit vom Zentrum der Explosion entfernt wurden alle Gebäude sofort zerstört. Noch Hunderte von Kilometern weiter wurden Schäden wie einstürzende Dächer festgestellt.
Die Tupolew hatte Mühe dem Inferno zu entkommen, der Bomber sackte 1000 Meter ab, bevor der Pilot wieder die Kontrolle über die Maschine erlangte.
Ein sowjetischer Kameramann sagte später:
„Die Wolken unter dem Flugzeug und in der Ferne wurden durch den starken Blitz erhellt. Das Meer des Lichts breitete sich unter der Luke aus, und selbst Wolken begannen zu leuchten und wurden transparent. In diesem Moment tauchte unser Flugzeug zwischen zwei Wolkenschichten auf und unten im Spalt tauchte eine riesige, leuchtend orange Kugel auf. Der Ball war mächtig und groß wie Jupiter. Langsam und leise schlich er sich nach oben …. Nachdem sie die dicke Wolkenschicht durchbrochen hatte, wuchs sie weiter. Sie schien die ganze Erde in sich aufzusaugen. Das Schauspiel war fantastisch, unwirklich, übernatürlich.“
Reduzierte Sprengkraft
Die „Zaren-Bombe“ entfesselte die Energie von etwa 60 Millionen Tonnen TNT. Das ist mehr als das 4000-Fache der Bombe von Hiroshima. Doch ursprünglich sollte die „Zaren-Bombe“ noch viel stärker werden. Das Design sah einen Mantel von drei Schichten Uran vor – dann wäre die Explosionskraft doppelt so groß gewesen. Doch die sowjetischen Wissenschaftler fürchteten, dass diese Energie und die damit verbundene Strahlung den Nordteil ihres Landes unbewohnbar gemacht hätte. Selbst den Sowjets wurde der „Zar“ unheimlich und sie begannen, Teile des Uranmantels durch Bleiplatten zu ersetzen. Tatsächlich gezündet wurde nur die abgespeckte Version.
Noch bevor die „Zaren-Bombe“ fertig war, setzte ein militärisches Umdenken ein. Anstatt immer größerer Bomben, die von verwundbaren Flugzeugen ins Ziel gebracht werden mussten, gewannen Raketen in den folgenden Jahren an Bedeutung. Denn damals konnte eine ballistische Rakete nicht abgefangen werden, anstatt der Explosionskraft wurde die Zielgenauigkeit wichtiger. Heute steht eine Hülle der „Zaren-Bombe“ im Museum.
Quellen: War is Boring, Nuclear Weapon Archive, BBC
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