Rechtsextremismus: Ex-Polizeipräsident zu Anschlägen: Nicht mit Details befasst

Neonazi-Schmierereien und Brandanschläge in Neukölln sorgten jahrelang für Unruhe. Verdächtige wurden spät ermittelt. Der damalige Polizeipräsident kannte das Thema gut, aber nicht im Einzelnen.

Der frühere Berliner Polizeipräsident Klaus Kandt war nach eigenen Angaben nicht in Einzelheiten mit den Ermittlungen zu der Serie rechtsextremistischer Straftaten vor mehreren Jahren in Neukölln befasst. „Ich hatte nicht das Wissen der Sachbearbeiter und habe mich auch nicht im Detail in die Ermittlungen eingemischt“, sagte Kandt am Freitag im Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses zu dem Thema. Auch die Personalstärke bei Ermittlungen oder Frage, wer was wann macht, seien kein Thema für den Polizeipräsidenten gewesen. Er habe sich damals an die Empfehlungen der Spezialisten im LKA gehalten und sei sonst eher mit den politischen Aspekten befasst gewesen.

Kandt kam Ende 2012 ins Amt und schied 2018 aus, später war er noch Staatssekretär in Brandenburg. Zu den Brandanschlägen und Schmierereien von Neonazis, sagte Kandt, es habe ja durchaus Verdächtige aus der rechtsextremen Szene vor Ort gegeben, „aber es gab keine Beweise“. Weil es bei den Ermittlungen nicht voranging, habe es natürlich auch Beschwerden von Betroffenen gegeben, die auch den damaligen Innensenator Frank Henkel (CDU) erreicht hätten. Auch von den Betroffenen seien Hinweise zu Verdächtigen gekommen, aber eben keine konkreten Beweise.

An den bis heute nicht aufgeklärten Mord an dem 22-jährigen Burak B. im April 2012 in Neukölln erinnerte Kandt sich als besonders dramatischen Fall. Der junge Mann sei ohne Vorwarnung auf offener Straße erschossen worden. „Was es besonders dramatisch machte, dass es keine Hinweise auf Täter gab und kein Motiv. Und die Familie hat darunter sehr gelitten.“ Er habe mit Henkel die Familie besucht und sei sehr betroffen gewesen. An sich gebe es bei Mord eine sehr hohe Aufklärungsquote, weil es Beziehungen gibt zwischen Täter und Opfer, sagte Kandt. „Aber wenn es das gar nicht gibt, wird es schon sehr schwierig. Und es gab kein einziges Indiz und keine Ermittlungsansätze damals.“

Der Untersuchungsausschuss will klären, ob Polizei und Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen zu der Serie rechtsextremistischer Brandanschläge und Schmierereien in Neukölln ab 2012 bis 2019 Fehler machten. Im Juni 2022 begann der Ausschuss mit seiner Arbeit. Mehr als 70 dieser Taten zählte die Polizei seit 2013 in Neukölln. Die Ermittlungen zogen sich jahrelang hin. Erst im Sommer 2021 erhob die Generalstaatsanwaltschaft Anklage.

Die beiden Hauptangeklagten wurden 2022 und 2023 vom Vorwurf der Brandstiftung – dem zentralen Punkt der Anklage – freigesprochen. Stattdessen verurteilte das Amtsgericht Tiergarten einen Mann wegen Sachbeschädigung und Betrugs zu eineinhalb Jahren Haft. Der zweite Hauptangeklagte wurde wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Für eine Beteiligung an den Brandanschlägen auf zwei Autos von Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, sah das Gericht nicht genügend Beweise. An einer rechtsradikalen Gesinnung der beiden Männer hatte es aber keine Zweifel.

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