Größte konventionelle Explosion: Die Halifax-Explosion – dieser Unfall zerstörte eine ganze Stadt

Am 15. Dezember 1917 stieg Mary Nehiley in den riesigen Keller der Schule in der Chebucto Road, Halifax, hinab. Die Schule war geräumt und unheimlich still. Vor dem Gebäude erstreckte sich über die Fläche eines ehemaligen Straßenblocks eine Halde einfach zusammengenagelter Kiefernsäge. Neun Tage zuvor ereignete sich die größte konventionelle Explosion aller Zeiten im Hafenbecken von Halifax, sie zerriss die halbe Stadt, mehr als 2000 Menschen starben – davon 500 Kindern. Vier dieser Kinder suchte Mary Nehiley in den Gewölben unter der Schule, in der ein improvisiertes Leichenschauhaus errichtet wurde. Nehiley konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass ihre Verwandten anonym in einem Massengrab verscharrt werden würden. Am 15. Dezember ging sie durch die endlosen Reihen, solange bis sie ihre zwei Nichten und ihre beiden Neffen gefunden hatte. 

Halifax war Kriegshafen

Was war neun Tage zuvor geschehen? In Europa tobte der Erste Weltkrieg, hier kämpfte Kanada an der Seite Großbritanniens. Der Hafen von Halifax war ein wichtiger Versammlungs- und Abfahrtsort für die Konvois, die Nachschub und Soldaten über den Atlantik bringen sollten. Die Kriegswirtschaft führte zu einem unglaublichen Wirtschaftsboom in der Hafenstadt.

 Die Männer der Patricia wollten den Brand löschen.
Die Männer der Patricia wollten den Brand löschen.
© Nova Scotia Archiv

Das änderte sich am 6. Dezember 1917. Am frühen Morgen lief der französische Frachter Mont Blanc in Halifax ein und begegnete dabei dem norwegischen Frachter Imo. Bei der Einfahrt in den Hafen fuhren die beiden Schiffe in entgegengesetzter Richtung in einer Fahrtrinne aufeinander zu. Durch eine Kommunikationspanne wurde ein Ausweichmanöver versäumt. In letzter Minute bremsten die Kapitäne ihre Schiffe ab, in dem sie volle Kraft zurück anordneten. Die Kollision ließ sich dadurch nicht mehr vermeiden, beide Schiffsrümpfe schrammten aneinander vorbei. Doch die Funken aus dem berstenden Stahl setzten einen Teil der Ladung der Mont Blanc in Brand. Als der Treibstoff Benzol Feuer fing, gab die Besatzung das Schiff sofort auf. Mit Sprüngen ins eiskalte Wasser versuchten sich die Matrosen zu retten, denn sie kannten die Ladung der Mont Blanc. Neben dem entzündlichen Benzol befanden sich 63 Tonnen hochexplosive Schießbaumwolle, 2300 Tonnen explosive Pikrinsäure und 200 Tonnen TNT an Bord. Die Mont Blanc war ein Munitionstransporter.

Halifax-Explosion mehrfach stärker als der Vater aller Bomben

Etwa 20 Minuten lang brannte die Mont Blanc, bevor das Benzol den Sprengstoff erreichte. Auf den Piers beobachten Schaulustige den Brand des Schiffes. Sie ahnten nicht, dass sie ale sterben würden. Die Explosion war in ihrer Gewalt fürchterlich. Es war die heftigste nichtnukleare Detonation der Weltgeschichte. Im Zentrum der Explosion herrschten 5000 Grad, noch 100 Kilometer weiter platzen Fensterscheiben. Das Stadtviertel Richmond am Hafen wurde dem Erdboden gleichgemacht. 548 Gebäude brannten aus, 824 Gebäude wurden von der Explosion zerstört, 1249 beschädigt. Der 520 Kilogramm schwere Ankerschaft der Mont Blanc wurde 3850 Meter weit weg geschleudert.

 Das Wrack der Imo.
Das Wrack der Imo.

Unwahrscheinliches Überleben

Als die Mont Blanc noch im Hafenbecken brannte, raste die Mannschaft der Feuerwache mit ihrem Wagen Patricia zu den Docks. Als die Patricia den Pier 6 erreichte, war die Hitze bereits so groß, dass die Männer die Gesichter abwenden mussten. Dann explodierte die Mont Blanc. Neun Feuerwehrleute starben sofort in dem Feuerball, nur der Fahrer Billy Wells überlebte. Er wurde von seinem Sitz gefegt und gegen einen Straßenmast geschleudert. Die Wucht der Explosion riss ihm alle Kleider vom Leib. Dann packte ihn die Welle, die von der Explosion erzeugt wurde, sie spülte ihn bewusstlos die Straße auf und ab. In einem Verhau von Telegrafendrähten blieb sein Körper liegen. Sein Krankenblatt vermerkte später trocken: „Er war nass, unterkühlt und fast ertrunken, und als er gefunden wurde, glaubte niemand, dass er überleben würde. Er erholte sich jedoch und erlangte seine gewohnte Gesundheit zurück.“

Heldentum eines Bahnwärters

Das Trauma der Katastrophe prägte Halifax, aber auch die zahllose Geschichten von Heldentum und selbstloser Hilfe. Zu den bekanntesten gehört die von Vincent Coleman. Er war Fahrdienstleiter der Eisenbahn in der Nähe des Hafens. Durch einen Matrosen erfuhren Coleman und sein Vorgesetzter von der gefährlichen Ladung der Mont Blanc. Sofort versuchten beide zu fliehen. Doch Coleman kehrte in sein Bahnwärterhaus zurück, als er sich an die Züge erinnerte, die auf dem Weg in den Hafen waren. Mit Hilfe des Telegrafen stoppte er alle Eisenbahnen auf der Strecke, darunter den Reisezug Nr. 10, der mit 300 Menschen nach Halifax fahren sollte. Ohne seine Warnung wäre der Zug wenige Minuten vor der Explosion in den Bahnhof eingelaufen. Tage nach der Explosion wurde die Leiche Colemans im Bereich des Bahnhofs gefunden.AR Nasino 18.10

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