Scheidender Premierminister: Boris‘ Liste für das Oberhaus: der Brexit-Trommler, der Milliardär und die Großspenderin

Nicht alle, aber viele Premierminister nominieren zu Ende ihrer Amtszeit Personen für das Oberhaus. Mitglieder der Parlamentskammer erhalten Adelstitel und Privilegien. Boris Johnson aber knüpft seine Kandidaten an unanständige Bedingungen.

Die allermeisten gemeinsamen Traditionen von USA und Großbritannien hat der Zahn der Zeit weggenagt. Ein paar allerdings sind aus den ganz alten Zeiten geblieben. Darunter die mittlerweile fragwürdige Praxis, Ämter von besonders erhabenem Ruf zu vergeben und das auch noch auf Lebenszeit. In den Vereinigten Staaten gehören dazu die Posten am Obersten Gerichtshof, für die der US-Präsidenten Frauen und Männer nominiert, die nur noch von der Regierungsmehrheit abgesegnet werden müssen. Es sind Personalien, die mitunter jahrzehntelang die wichtigsten Entscheidungen des Landes prägen.

Boris Johnsons nächster Skandal

In Großbritannien ist es das House of Lords, das auf ähnliche Weise besetzt wird, das auch maßgeblichen Einfluss hat und über dessen Besetzung derzeit der scheidende Premierminister Boris Johnson bastelt. Auf eher schwiemelige Weise, was prompt einen neuen (Mini-)Skandal auslöst.

Der Regierungschef, der in einigen Wochen aus 10 Downing Street ausziehen wird, stellt derzeit eine Liste von Personen zusammen, die er Kraft seines Amtes für das Oberhaus nominieren darf. Das House of Lords ist die zweite Kammer des britischen Parlamentarismus, 794 Mitglieder sitzen darin, sie wachen über die gewählten Abgeordneten des Unterhauses. Neben ein paar Dutzend kirchlichen Lords sind die meisten „life peers“ genannte Adelige. Einmal ins Oberhaus entsandt, bleiben sie dort Mitglied bis an ihr Lebensende. Es ist zwar nicht so, dass sie weitreichende Gesetze erlassen würden, aber sie können Gesetze überarbeiten lassen oder sie hinauszögern.

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„Resignation Honours List“ heißt das Papier, auf der Ex-Premierminister in spe ihre Kandidaten für das Oberhaus notieren. Fast 50 Namen sollen bereits auf Johnsons Liste stehen – 86 „life peers“ hat er in seiner Amtszeit bereits berufen. Darunter auch seinen Bruder Jo Johnson , der seitdem Baron Johnson of Marylebone nennen darf. Allerdings scheint es eine Bedingung zu geben, um die begehrten, mit Privilegien behafteten Sitze zu bekommen. So sollen die „Interessenten“, allesamt konservative Brexit-Anhänger, unterschreiben, dass sie stets zugunsten der Tory-Partei abstimmen.

„Große Sorge“ im Oberhaus

Der „Süddeutschen Zeitung“ bestätigte das Oberhaus-Mitglied Lord William Wallace dieses Vorhaben und sagte, es gebe „große Sorge“, wenn das so durchgehe. Er und andere Lords befürchten, dass Johnson auf diese Weise die Gesetzgebung auf lange Zeit beeinflussen würden: So könnte das House of Lords seine Kontrollfunktion einbüßen und auch umstrittene Regelungen durchwinken.

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Ein Blick auf die Namen von Boris Johnsons Liste legt nahe, dass der Bald-Ex-Regierungschef ein paar Buddys mit dem Adelsstand belohnen will. Etwa Paul Dacre, Chefredakteur der Boulevardzeitung „Daily Mail“, die verlässlich und laut für den Brexit getrommelt hat. Den Millionär Michael Hintze, der über die Jahre fast fünf Millionen Euro an die konservative Partei gespendet hat, sowie Lubow Tschernukin, Gattin eines Ministers auf dem Putin-Umfeld und ebenfalls Großspenderin der Partei.

Quellen: DPA, „The Sun„, „Prospect„, „Süddeutsche Zeitung

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