Die Oscars sind zu weiß, Afroamerikaner haben in Hollywood das Nachsehen, es mangelt an Vielfalt. Diese Vorwürfe sind nicht neu, doch die Rassismusdebatte feuert die Kritik nun wieder an.
Auch nach Meisterwerken wie «Malcom X», «Do the Right Thing» und «BlacKkKlansman» muss Oscar-Preisträger Spike Lee (63) um seine Projekte hart kämpfen.
«Wir haben den neuen Film beinahe nicht machen können», erzählt der Filmemacher im Interview mit dem «Hollywood Reporter» über seinen 25. Spielfilm «Da 5 Bloods». «Wir sind zu jedem Studio gegangen, aber alle lehnten ab.»
Am Ende brachte Lee seinen Film über vier schwarze Vietnam-Veteranen, die in den Dschungel zurückkehren, um ihre Kriegserlebnisse aufzuarbeiten, bei Netflix unter. Am Freitag feierte «Da 5 Bloods» mit «Black Panther»-Star Chadwick Boseman bei dem Streamingdienst Premiere.
In Hollywoods langer, von weißen Studiobossen dominierter Geschichte, hatten es afroamerikanische Themen oder Filme mit schwarzen Hauptdarstellern immer schwer. Es war eine Sensation, als der schwarze Regisseur Barry Jenkins mit dem Independent-Film «Moonlight» um einen schwulen Jungen im Drogenmilieu von Miami 2017 drei Oscars gewann, darunter den Top-Preis als bester Film.
Doch mit dem Hashtag #OscarsSoWhite kocht die Kontroverse um die mangelnde Vielfalt und die Anerkennung schwarzer Talente in Hollywoods Filmgeschäft seit Jahren immer wieder hoch. Als 2016 zum zweiten Mal hintereinander keine Schwarzen in den vier begehrten Schauspielerkategorien nominiert wurden, reagierte die Oscar-Akademie auf die massive Kritik und kündigte «historische Maßnahmen» an.
Im Zuge der Rassismusdebatte nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd, reagierte der Filmverband jetzt wieder mit Selbstkritik und Maßnahmen, die Vielfalt und Gleichstellung in den eigenen Reihen zu fördern. Es sollen mehr Schwarze, Latinos und Asiaten als neue Mitglieder in die mehrheitlich weiße Academy aufgenommen werden, hieß es am Freitag. Es soll Kurse und Gesprächsrunden geben, um Voreingenommenheit abzubauen und Themen wie Diskriminierung wegen der Ethnie anzusprechen.
Die Rassismusdebatte hat die Unterhaltungsbranche bis in die Wurzeln erschüttert – bis hin zu dem Filmklassiker «Vom Winde verweht», der vorige Woche vom US-Streaminganbieter HBO max vorübergehend aus dem Programm genommen wurde. Das Südstaatendrama von 1939 soll mit einordnenden Hinweisen zur dargestellten Sklaverei versehen werden, hieß es zur Begründung.
Lange vor dem Liebesdrama «Gone with the Wind» machte 1915 der Stummfilm «The Birth of a Nation» (dt. Titel «Die Geburt einer Nation») in Hollywood Furore. Das rassistische Historienepos von dem Südstaatler D.W. Griffith über den amerikanischen Bürgerkrieg verhalf damals der Rassisten-Organisation Ku-Klux-Klan zu neuem Aufschwung. Gleichzeitig zählte der aufwendig gedrehte Monumentalfilm zu den kommerziell größten Stummfilm-Erfolgen überhaupt.
Dem setzte der Afroamerikaner Nate Parker 2016 in seinem Regie-Debüt «The Birth of a Nation – Aufstand zur Freiheit» sein eigenes Werk entgegen, um «Wandel» herbeiführen und Rassismus und Korruption aufzudecken, die heute als Folge der Sklaverei noch verbreitet seien, erklärte der Regisseur beim Sundance-Festival.
In dem Film erzählt er die wahre Geschichte des schwarzen Sklaven und Predigers Nat Turner, der in den US-Südstaaten einen Aufstand anzettelte und dafür 1831 öffentlich gehängt wurde. Der bewegende Film holte mehrere Preise, doch der erhoffte Kinokassenerfolg blieb aus.
Abgesehen von einigen Megahits wie «Black Panther» und «Get Out» gibt es in Hollywood auch eine endlose Debatte, ob Filme von, für und mit Schwarzen überhaupt kommerziell erfolgreich sind. Hartnäckig hält sich die Vorstellung, es sei besonders schwer, diese ins Ausland zu verkaufen. «Obwohl wir an den Kinokassen besser abschneiden als eine ganze Runde weißer Filme, sagen die Verleiher, dass ‚Black movies‘ international nicht gut funktionieren», beschwerte sich Regisseur Boots Riley. Mit Blick auf die eigene Geschichte hatte er sogar recht, seine Low-Budget-Satire «Sorry To Bother You» spielte in den USA über 17 Millionen Dollar ein und war für einige Preise nominiert, fand aber in Deutschland und vielen anderen Märkten nicht einmal einen Kinoverleih.
Vor allem auf Produzentenseite gibt es kaum Schwarze, die Geld für Filme zur Verfügung stellen oder zusammentrommeln können. Das Online-Magazin «Black Enterprise» schreibt zudem, dass sie häufig Filme mit deutlich kleinerem Budget an den Start bringen. Zu den wenigen erfolgreichen Beispielen zählt Will Smiths Firma Overbrook, die unter anderem für die Hits «Hancock» und «I am Legend» auch Smith in der Hauptrolle verpflichtet hatten und Alcon Entertainment von Broderick Johnson – in der Branche ein wichtiger Player, seitdem der Überraschungshit «The Blind Side» aus seinem Budget von 29 Millionen Dollar ein weltweites Einspiel von 310 Millionen Dollar machte.
Das Sozialdrama «The Blind Side» mit Sandra Bullock in der Hauptrolle einer wohlhabenden Frau, die einen obdachlosen, schwarzen Jungen in ihre Familie aufnimmt, erntete aber auch Kritik für den weißen Blick auf eine schwarze Problematik. Umstritten war ebenfalls der Oscar-Abräumer «Green Book» (2019) wegen seines Umgangs mit dem Rassismusthema. Die Hauptrolle spielt der weiße Fahrer (Viggo Mortensen), der eine schwarze Jazz-Größe (Mahershala Ali) in den 1960er Jahren durch die Südstaaten chauffiert. In der Darstellung der Diskriminierung zeigt (der weiße) Regisseur Peter Farrelly nicht immer historisches Feingefühl.
Ein weiteres Beispiel für schwarz-weiße Hollywood-Unterhaltung ist «The Help» über Schicksale schwarzer Dienstboten in den Südstaaten. Regisseur Tate Taylor erzählt die Geschichte aus der Sicht einer weißen Frau. Die Afroamerikanerin Viola Davis in der Hauptrolle eines Kindermädchens bedauerte 2018 im Interview mit der «New York Times» ihre Teilnahme an dem Film. Am Ende sei es nicht wirklich um die Perspektive der Dienstboten gegangen, sagte Davis.
Bryce Dallas Howard, die in «The Help» eine rassistische Südstaatenfrau mimte, schloss sich kürzlich ihrer Kritik an. Wir könnten alle mehr tun, resümiert der Hollywood-Star. Howard empfahl eine Reihe von «starken, wichtigen, meisterhaften» Filmen über Themen wie Bürgerrechtsbewegung und Rassentrennung, die zum Handeln anregen könnten. Unter anderem listet sie «Just Mercy», «Malcom X» und «Selma» auf.
Hat sich also kaum etwas verändert, seitdem 1976 der aktuell wieder häufig zitierte Bürgerrechtsautor James Baldwin in einem Filmkritik-Essay schrieb, dass kein Schwarzer je auf der Leinwand sein volles Potenzial hat zeigen können?
Immerhin vorsichtige Initiativen gründen sich gerade, auch verbunden mit der tiefen Krise, in der Hollywood durch die Corona-Pandemie steckt. Der Think Tank For Inclusion and Equity (TTIE) hat in einem offenen Brief gefordert, Schwarze nicht nur als Autoren anzustellen, wenn es um ihre eigenen Themen oder um afroamerikanische Charaktere geht. Die «Hire Her Back»-Initiative («Stell sie wieder ein») arbeitet dafür, dass nach dem Ende der Pandemie besonders auf Gleichberechtigung der Geschlechter und Hautfarben geachtet wird.
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