Als er das Restaurant betrat, rutschte mir das Herz in die Hose, im wahrsten Sinne des Wortes. Ein echter Bad Boy, groß, braungebrannt, muskulös und tätowiert, grinste er mich an. Doch am Ende des Abends wusste ich, warum ich endlich was „Vernünftiges“ daten sollte.
Bad Boys und Frauen, eine Anziehungskraft wie Scheiße und Fliegen. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz und kaum eine Frau kann sich vor dieser schwarzen Magie schützen. Als Kevin den Gastraum des Restaurants betrat, hatte man den Eindruck, dass alle sofort gehen müssten, weil nicht genug Platz war für ihn, sein Ego und seine Muskeln. Mehrere Frauen drehten sich direkt um, obwohl ihr Partner gerade mit ihnen sprach. Eine Frau winkte mit der Hand ab, bevor sie ihrer Begleitung den Rücken zudrehte.
Mit einem schelmischen Grinsen kam er geradewegs auf mich zu. Ich hatte ihn bei Tinder gematcht und er hatte dieses noble Restaurant in der Hamburger Innenstadt für ein erstes Date vorgeschlagen. Am Tisch angekommen stand ich auf, er umarmte mich zur Begrüßung und roch nach Dior Sauvage. Das hätte mir eine Warnung sein können, denn fast alle Bad Boys tragen dieses Parfüm. Seine ersten Worte waren, mit einer sehr tiefen und dominanten Stimme: „Schön dich kennenzulernen. Hast du gut hergefunden? Ich hätte dich sehr gerne abgeholt, aber mein AMG ist noch in der Werkstatt.“ Sofort lief der „The Fast and the Furious“-Trailer mit Kevin statt Vin Diesel in meinem Kopf ab.
Bei den meisten Frauen setzt bei Muskeln, Tattoos, AMG und Dior Sauvage in Kombination schon fast der Verstand aus. Ich schaffte es gerade noch, dass ich an diesem Samstagabend nicht völlig verdummt und sabbernd in diesem Edellokal saß. Ab dem Moment war es schon fast egal, was in den nächsten Stunden aus Kevin verbal herauskommen würde, wenn er jetzt nicht super hohl war. Aber auch nur fast.
Bad Boys sind die Alpha-Gorillas auf dem Affenfelsen der Dating-Welt
Es ist eine animalische Anziehungskraft wie im Tierreich, die Frauen immer und immer wieder auf einen breit gebauten Bad Boy abfahren lässt. Dafür brauchte mein Date noch nicht mal auf den Affenfelsen klettern, vor meinen Augen alles begatten, was bei drei nicht auf dem nächsten Baum verschwunden ist und sich zum krönenden Abschluss mit lautstarkem Grunzen selbst auf die Brust hauen. Das sind Parts, die man bei einem Bad Boy dann später in der Beziehung live miterleben darf.
Obwohl jede Frau weiß, dass Männer wie diese einem nicht guttun, nichts für jemand anderen tun, außer sich selbst und meist auch nicht treu sind, schmelzen sie immer wieder dahin. Der Abend verlief erstaunlich gut, obwohl es unser erstes Date war, lachten wir viel, unterhielten uns sehr flüssig ohne Pausen. Ich erfuhr, dass Kevin selbstständig sei, so genau verstand ich aber nicht womit, das klang etwas nebulös, wie er von Geschäftspartnern erzählte, dass er viel reise und gerne in Dubai chille. Insgesamt war er eloquent, witzig und charmant. Sein Charisma füllte noch immer den Raum, auch die Kellnerin, die an unseren Tisch kam, flirtete direkt mit den Augen mit ihm. Und er tat das, was solche Typen eben tun: Er erwiderte es mit einem herausfordernden Gesichtsausdruck und stets einem lustigen Spruch auf den Lippen.
STERN PAID Tinder-Protokoll, Jasmin, 31 12.08
Das Date lief so gut, dass wir uns am Ende über ein Wiedersehen unterhielten. Ich schlug ihm Mittwoch der kommenden Woche vor. Doch da konnte Kevin nicht, er fragte nach dem nächsten Wochenende. Da war ich aber bereits ausgebucht. „Dienstag nächster Woche?“, fragte ich. „Passt leider nicht“, erwiderte er. So ging das mehrmals hin und her. Die Stimmung wurde komisch, Pausen entstanden. Mein Hirn war wieder in Betrieb, als ich sagte: „Wenn du nicht möchtest, sag es gerne, nicht schlimm“. „Nein, das ist es nicht. Ich habe ein anderes Problem, ich kann nur an Wochenenden“, sagte er. Als ich nach Hintergrundinformationen fragte, wurde es noch stiller. Mein Kopf fuhr bereits Achterbahn, als ich fragte „Hast du Familie oder warum?“. „Nein“, sagte er, dann holte er tief Luft und erklärte: „Ich sitze eigentlich im Knast wegen Marijuanahandel. Ich habe am Wochenende aber immer Ausgang. Da können wir gerne was unternehmen.“
In wenigen Sekunden wurde ich ersetzt
Mehr als ein „Ohhh“ brachte ich nicht mehr hervor. Dann stand ich auf, bedankte mich für den Abend und ging, ohne einen weiteren Satz zu sagen. Manche Aussagen und Dates brauchen keinen verbalen Abschluss. Als ich durch den Raum zum Ausgang des Restaurants ging, guckten mich die notgeilen Frauen an, mit einem Gesichtsausdruck wie: „Der geile Typ hat die Tussi bestimmt abserviert“. Es war mir egal, nur wenige Sekunden später passierte ich die Scheibe von draußen und sah, wie die Kellnerin sich auf meinen noch warmen Platz setzte, ihre Brüste auf dem Tisch platzierte und fast in der Mitte des Tisches mit ihren Ellenbogen landete, wo sie lächelnd ihr Gesicht in die Handflächen legte.
An diesem Abend schwor ich mir eins: „Ich muss dringend aufhören, auf Bad Boys zu stehen. Ihr könnt sie alle haben.“
Die Geschichten dieser Dating-Kolumne sind alle im realen Leben passiert. Ich habe sicherlich nicht alle selbst erlebt, auch Beiträge von Kollegen, Freunden und Bekannten verbergen sich unter ihnen, doch erzählenswert sind sie alle.
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