Vorwurf sexualisierter Gewalt: „Muskelchecks“ am Po: Der Deutsche Tennis Bund will Vizepräsidenten loswerden, doch der weigert sich

Ehemalige und aktive Tennisspieler haben schwere Vorwürfe gegen den früheren Trainer und aktuellen Vizepräsidenten des Deutschen Tennis Bundes erhoben. Nach einer internen Untersuchung soll er zurücktreten, weigert sich aber.

Der Deutsche Tennis Bund (DTB) will seinen Vizepräsidenten Dirk Hordorff loswerden und hat ihn erneut zum Rücktritt aufgefordert. Der Obudsmann des Verbandes und der Sprecher des Bundesausschusses, in dem die einzelnen Landesverbände vertreten sind, schlossen sich der Forderung an. Im Raum steht der Vorwurf, dass der Funktionär jahrelang Spieler sexuell belästigt haben soll, die er trainiert hat. Die Anschuldigungen wurden von zahlreichen Personen bestätigt, wie die Recherchen von verschiedenen Medien ergaben. 

Der Funktionär bestreitet sämtliche Vorwürfe und weigert sich, von seinem Amt zurückzutreten. „Herr Hordorff weist die erhobenen Vorwürfe als schlicht unwahr zurück. Er ist zuversichtlich, dass sich dies bestätigen wird“, teilte sein Anwalt kürzlich mit. Hordorff lässt sein Amt derzeit ruhen, was nach Angaben seines Anwaltes aber nicht mit den Vorwürfen zusammenhängt. Deshalb greift der DTB nun zum letzten Mittel: Sollte Hordorff nicht von sich aus abtreten, soll eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen werden, um den Funktionär, der als sehr einflussreich gilt, loszuwerden.STERN PAID 05_23 Boris Becker 08.47

Ausziehen bis auf die Unterhose

Einer der Männer, die Hordorff beschuldigen, ist das frühere Talent Maximilian Abel, heute 41 Jahre alt. Jahrelang sei er nach eigener Aussage sexuellen Belästigungen und dem Machtmissbrauch ausgesetzt gewesen. Mit 16 Jahren habe er die Schule verlassen, um Tennisprofi zu werden. Er wurde Mitglied in Hordorffs Trainingsgruppe. Abel galt als großes Talent, einige sahen in ihm bereits den legitimen Nachfolger von Boris Becker und Michael Stich.

„Anfangs waren das Berührungen von ihm am Rücken, Bauch, und er hat sich dann runtergearbeitet bis zum Gesäß“, so schilderte es Abel: „Es war sehr unangenehm und ich hab‘ mir gedacht, was macht der da für einen Mist.“ Hordorff habe das Abtasten als „Muskelchecks“ bezeichnet. Zuerst sei er während des Abtastens bekleidet gewesen, später habe er sich bis auf die Unterhose ausziehen müssen. Es begann zunächst in der Umkleidekabine, später sei er zu Hordorff in die Wohnung gekommen. Dort habe Abel nach eigener Aussage fast nackt Liegestütze und Bauchmuskel-Übungen machen müssen und sei massiert worden.

Der schlimmste Vorfall habe sich aber in Hamburg während eines ATP-Turniers im Mai 2003 ereignet. Weil Abel Hordorff angelogen habe, wollte der ihn demnach bestrafen. Der junge Spieler habe sich auf Anweisung ausziehen und nackt auf dem Hotelbett „in Hundeposition“ gehen müssen. Dirk Hordorff habe den Gürtel aus der Hose genommen. „Dann hat er 20 Mal durchgezogen“, schilderte es Abel gegenüber dem „NDR, der „Sportschau“ und der „Süddeutschen Zeitung“: Ich war geschockt, ich habe mich gefühlt wie Scheiße.“

Weitere Profi und andere Zeugen bestätigen Vorfälle

Als junger Spieler bestritt er sogar ein Match gegen Roger Federer, der Durchbruch zum etablierten Profi gelang ihm aber nicht. Stattdessen stürzte er ab und büßt aktuell eine siebenjährige Haftstrafe wegen Kreditkartenbetrugs ab. Auch andere Spieler berichteten von ähnlichen Vorfällen mit Hordorff.

Einer davon ist der indische Tennisprofi Sriram Balaji, der mit 33 Jahren noch als Profi auf der ATP-Tour spielt. Er kam als 20-Jähriger mit einem Stipendium des indischen Verbands nach Hessen, um sein Spiel zu verbessern. Hordorff war damals Präsident des hessischen Landesverbands. Mindestens einmal in der Woche sei er in sein Zimmer gekommen. Hordorff habe auch bei ihm die angeblichen „Muskelchecks“ durchgeführt. „Er hat mich am ganzen Körper angefasst, nur nicht an den Genitalien“, erzählte er. Das sei in Deutschland normal, habe er gedacht. Einmal habe er Hordorffs Wohnung übernachtet und sollte nackt auf dem Sofa schlafen.

Neben Abel und Balaji soll es laut Aussage eines anonymen Zeugen damals eine Gruppe von Jugendlichen gegeben haben, die überlegt hätten, Hordorffs Verhalten beim Verband anzusprechen. Sie ließen von ihrem Vorhaben ab, weil sie Angst vor den möglichen Konsequenzen gehabt hätten – und es heute noch haben.

DTB verlasst interne Untersuchung

Der DTB weiß spätestens seit dem Februar 2022 von den Vorwürfen, nachdem Abel im Februar 2022 den Verband in einem Brief über die Vorfälle unterrichtet hatte. Daraufhin beauftragte man eine Anwaltskanzlei mit der Untersuchung der Vorwürfe, deren Ergebnisse nun vorliegen. Der DTB hält die Ergebnisse „zum Schutz aller Beteiligten“ unter Verschluss, teilte aber in einem Statement mit: „Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass der erhobene Vorwurf eines Fehlverhaltens nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden kann.“

Kritiker wie Maximilian Klein von der Interessenvertretung Athleten Deutschland bemängeln, dass die Untersuchung des DTB nicht weit genug gehe. Eine Untersuchung müsse „den Blick systematisch in die Vergangenheit richten“ und auch aufdecken, wer geschwiegen habe und „welche Strukturen versagt haben“.

Quellen: „NDR„, „Sportschau„, „Süddeutsche Zeitung

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