Ukraine-Krise: Umstrittene Pipeline: Was das Aus von Nord Stream 2 für alle Beteiligten bedeuten würde

Im Konflikt um die Ukraine spielt auch die Ostseepipeline Nord Stream 2 eine Rolle – die meisten Verbündeten Deutschlands lehnen sie ab. US-Präsident Joe Biden droht mit dem Aus für das Projekt. Aber was würde das bedeuten?

Eigentlich wären außer Russland und Teilen der Bundesregierung alle froh, wenn die Röhre so bleibt, wie sie seit ihrer Fertigstellung im September ist: leer. Umwelt- und Klimaschutzverbände lehnen die Gaspipeline Nord Stream 2 genauso ab, wie Polen und die Ukraine. Die europäischen Nachbarn verdienen als Transitländer mit am russischen Gas für Deutschland.

Ukraine-Konflikt: Joe Bidens klare Worte zu Nord Stream 2

Auch die USA beäugen die Pipeline kritisch, für sie führt die Leitung direkt in die russische Abhängigkeit. Als Bundeskanzler Olaf Scholz jetzt seinen Antrittsbesuch bei Joe Biden im Weißen Haus absolvierte, erwähnte er Nord Stream mit keinem Wort – auch nicht, als der US-Präsident deutlich machte, dass ein Einmarsch Russlands in die Ukraine das Aus für die umstrittene Ostsee-Leitung bedeuten würde.

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Obwohl der Kreml mittlerweile an die 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine stationiert hat, ist weiterhin unklar, ob der russische Präsident Wladimir Putin bereit ist, einen Militäreinsatz zu riskieren oder ob sein Säbelrasseln anderen Zwecken dient. Derweil beugen sich in Deutschland und Brüssel noch die zuständigen Behörden über die Zulassungspapiere für Nord Stream 2. Noch strömt also ohnehin kein Gas durch die 1230 Kilometer lange Doppel-Röhre.

Was also würde ein Aus für Nord Stream 2 bedeuten?

Für Deutschland

Seit den 1970er Jahren, also schon seit den Zeiten des Kalten Kriegs, bezieht Deutschland große Mengen Öl und Gas aus Russland. Rund die Hälfte des deutschen Gasbedarfs stammt aus dem Riesenreich im Osten. Nord Stream 2 ist die vierte Leitung, über die der Energieträger nach Deutschland gelangen soll. 55 Milliarden Kubikmeter pro Jahr sind geplant.

Sollten die Lieferungen ausbleiben, stünde Deutschland weniger Gas zur Verfügung – und der Zeitpunkt für ein Ausbleiben des Rohstoffs wäre eher ungünstig. Denn die rund 30 Gasspeicher sind derzeit ungewöhnlich leer. Noch verläuft der Winter mild, aber sollte sich das ändern, könnten die Vorräte bis Ende März aufgebraucht sein.

Nicht ausgeschlossen ist, dass der Kreml im Fall einer Nicht-Inbetriebnahme der neuen Röhre möglicherweise auch weitere Energielieferungen stoppt. Bislang waren sowohl die Sowjetunion als auch Russland selbst in eisigsten Zeiten immer vertragstreu. Allerdings schwelt zwischen Moskau und Kiew schon lange der sogenannte Gasstreit, der immer wieder zu Lieferstopps führte. 2009 etwa waren dadurch vor allem südosteuropäische Länder wie die Slowakei und Bulgarien betroffen.

Alternativen zu russischem Gas sind derzeit noch rar. Der zweitgrößte Lieferant Norwegen kann seine Kapazitäten nicht erhöhen und amerikanisches Flüssigerdgas kann wegen fehlender Infrastruktur in Deutschland noch nicht geliefert werden. Das erste dazu benötigte LNG-Terminal wird derzeit in Brunsbüttel an der Elbe gebaut.

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Für Russland

Als Russland 2009 wegen des Gasstreits mit der Ukraine die Lieferung des begehrten Energieträgers eingestellt hatte, entgingen den Unternehmen täglich 120 Millionen US-Dollar, insgesamt waren es rund 1,1 Milliarden Dollar. Für die beteiligten Firmen aber auch für die Regierung sind ausbleibende Rohstofflieferungen also in erster Linie ein finanzieller Verlust, allerdings exportiert das Land deutlich mehr Öl als Gas.

Nord Stream 2 ist jedoch auch ein Infrastrukturprojekt für weitere, noch zu erschließende Öl- und Gasfelder. Fällt diese Leitung weg, müsste der Rohstoff über andere, teurere Routen transportiert werden. Etwa über den Landweg via Ukraine oder Polen. Diese „schwierigen“ Nachbarn aber versucht Moskau mit der Ostsee-Pipeline zu umgehen.

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Für die beteiligten Firmen

Fast zehn Milliarden Euro hat der Bau von Nord Stream 2 gekostet. Die Hälfte davon hat der russische Staatskonzern Gazprom bezahlt, der auch alleiniger Eigentümer ist. Die andere Hälfte stammt von den Energie-Unternehmen OMV (Österreich), Wintershall Dea, Uniper (beide Deutschland), Engie (Frankreich) und Shell (Großbritannien). Sollte ihre Pipeline nicht wie geplant an den Start gehen, dürften sie ihre Investition zurückverlangen wollen. Notfalls gerichtlich.

Quellen: DPA, AFP, Erdgasspeicher.de, Deutschlandfunk, NordStream2.com

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