Seit dem Überfall der Ukraine durch die russische Armee wird die Welt für regierungsnahe Oligarchen allmählich kleiner. Durch Sanktionen der EU und der USA droht den Schätzen der Milliardäre die Beschlagnahmung. Für die teuren Jachten heißt das: Tauchstation.
Der russische Oligarch Andrej Gurjew möchte nicht, dass man ihm sein Boot wegnimmt. Und damit ist der ehemalige Chef von PhosAgro, einem der weltweit größten Düngemittelhersteller, nicht alleine. Wie der britische „Guardian“ nun berichtet, gehört Gurjews „Alfa Nero“ zu einer Flotte von mindestens sechs Schiffen, die ihre Positionsgeber absichtlich ausgeschaltet haben. Ein Abgleich mit Daten des stern zeigt: Das Abschalten ist tatsächlich groß in Mode.STERN PAID 11_22 Putins Profiteure 10.05
Wie melden Jachten ihre Position?
Normalerweise nutzen Schiffe ab einer gewissen Größe das sogenannte „automatische Identifikationssystem“ („AIS“) standardmäßig. Dabei handelt es sich um eine Technik, die ursprünglich zur Vermeidung von Kollisionen auf See in der Berufsschifffahrt genutzt wurde, aber auch für private Schiffe Vorteile bietet. Es dient zum Beispiel der Routenplanung, fungiert als Frühwarnsystem bei Annäherung anderer Schiffe und hilft, auf See bessere Entscheidungen beim Manövrieren zu treffen.
Es ist daher unüblich, das „AIS“ abzuschalten – für Schiffe mit einer Bruttoraumzahl (BRZ) über 300 ist es laut Konvention der internationalen Seeschifffahrts-Organisation IMO gar verboten. In bestimmten Gebieten kommt es dennoch vor, beispielsweise vor manchen afrikanischen Küsten, in denen Piraterie ein großes Problem ist. Für die azurblauen Meeresweiten der Karibik oder rund um die Inseln der Malediven gilt diese Gefahr aber eher nicht – hier spielen andere Absichten eine Rolle.Oligarchen Jachten Russland Ukraine 17.03
Der „Guardian“ vermutet, dass es sich beim Abschalten des „AIS“ auf Jachten russischer Oligarchen um ein notgedrungenes Versteckspiel handelt. Denn inzwischen sind mindestens 13 Schiffe in den Händen von Behörden, nicht wenigen Eignern droht der Verlust des Eigentums durch Beschlagnahmungen oder gar Enteignungen. Die USA und auch die EU arbeiten mit Hochdruck an Gesetzen, die es erlauben würden, die Schiffe rechtmäßig zu verkaufen.
Immer mehr Jachten „verschwinden“
Und so wächst die Zahl „verschollener“ Schiffe auf dem Radar rasant. Ein Abgleich mit der Fotostrecke von Oligarchen-Jachten, die der stern seit der Invasion der Ukraine aufbaut, zeigt weit mehr als sechs versteckte Luxus-Schiffe. Derzeit haben unter anderem folgende Schiffe die Transponder deaktiviert:
- „Alfa Nero“ von Andrej Gurjew (IMO 1009376)
- „Galactica Super Nova“ von Wagit Alekperow (IMO 9798234)
- „Clio“ von Oleg Deripaska (IMO 9312535)
- „Motoryacht A“ von Andrei Melnitschenko (IMO 1009340)
- „Ocean Victory“ von Wiktor Raschnikow (IMO 1011850)
- „My Sky“ von Igor Kesaew (IMO 1012139)
- „Madame Gu“ von Andrei Skotsch (IMO: 1011331)
- „Le Grand Bleu“ von Jewgeni Schwidler (IMO: 1006829)
- „Quantum Blue“ von Sergey Galitsky (IMO: 9740251)
Die Vermutung, dass die Schiffe ihre Transponder absichtlich deaktivieren, wurde dem „Guardian“ direkt von Bord eines Schiffes bestätigt. So habe ein Crew-Mitglied einer „versteckten“ Jacht erzählt, man habe die Anweisung erhalten, das „AIS“ abzuschalten – und zwar durch händischen Ausbau der Technik.
Sicherheit in der Türkei, Malé und Dubai
Tatsächlich gibt es noch Jachten, die im falschen Hafen sofort an die Kette kämen, aber trotzdem ihre Position regelmäßig melden. So verraten beispielsweise die Schiffe „Eclipse“ (IMO: 1009613) und „Solaris“ (IMO: 9819820) von Roman Abramowitsch regelmäßig, dass sie unbeirrt durch die Gewässer der Türkei cruisen. Auch die „Nirvana“ (IMO: 1011202) des in Kanada sanktionierten Russen Wladimir Potanin meldet sich regelmäßig aus Dubai. Besonders sicher ist es natürlich in Russland selbst. Dorthin verschiffte Alexei Mordaschow seine „Nord“ (IMO 9853785) vor wenigen Wochen. Fast spitzbübisch meldet das Schiff alle paar Minuten, wo es ist.
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Für die meisten russischen Milliardäre scheint das Protzen in den Häfen dieser Welt aber erst einmal vorbei zu sein – zu groß ist die Gefahr, dass das teure Schiff plötzlich wie die „Dilbar“ oder die „Segelyacht A“ auf lange Zeit festsitzt. Und so wird jede Fahrt an Land ein Risiko – denn Touristen sind überall und eine Jacht lässt sich, wie die Aufnahmen der „Alfa Nero“ zeigen, nur sehr schwer verstecken.
Quelle: Guardian
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