Parteitag in Karlsruhe: Grünen-Chef Nouripour über den Moment, in dem er fast aufgegeben hätte

Auf dem Parteitag der Grünen bewirbt sich Omid Nouripour um seine Wiederwahl als Vorsitzender – und wird dabei persönlich. Er endet mit Luther: „Ich stehe hier und ich kann nicht anders.“

Plötzlich wird es ganz ruhig in der Messehalle in Karlsruhe. Die Grünen haben sich dort zum Parteitag versammelt, um ihren Kurs in „gewendeten Zeiten“ (Habeck) auszutarieren, aber auch, um unter anderem ihre Parteispitze zu wählen. Der Co-Vorsitzende Omid Nouripour bewirbt sich um die Wiederwahl und dürfte dabei mit einem persönlichen Bekenntnis in seiner Rede für Gänsehaut bei einigen der rund 800 Delegierten gesorgt haben.  

Im vergangenen Jahr sei er „am Rande des Aufgebens“ gewesen, sagt Nouripour und spricht dann erstmals konkret davon, dass Familienangehörige im Iran unter seiner politischen Arbeit leiden mussten. Nachdem er sich zu den „mutigen Frauen“ im Iran geäußert habe, hätten ihn Hilferufe erreicht: Verwandte hätten ihn angerufen und ihn gefragt, ob er das auch „leiser machen“ könne. Sie hätten sich akut vom Regime bedroht gefühlt – damit stand für den Grünen-Vorsitzenden die konkrete Frage im Raum, inwieweit er sie mit seiner Arbeit gefährdet. In seiner Rede fügt er hinzu: „Und nicht alle haben das überlebt.“

Nach dem Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam kam es im Iran im September 2022 zu Massenprotesten, die brutal unterdrückt wurden. Der profilierte Außenpolitiker, der neben der deutschen auch die iranische Staatsangehörigkeit besitzt, forderte nach dem Beginn der Proteste unter anderem, die Revolutionsgarden im Iran auf die Terrorliste der EU zu setzen.  

Nouripour: „Ich stehe hier und ich kann nicht anders“

Nach diesen für ihn schlimmen Nachrichten von seinen Verwandten sei es „ungemein schwer“ gewesen, noch einmal Tritt zu fassen, so Nouripour, der in Teheran aufgewachsen ist und als 13-Jähriger gemeinsam mit seiner Familie nach Deutschland kam. Doch er könne nicht leise sein, so Nouripour. Er lehnt sich dann an Luthers berühmte Worte an: „Ich stehe hier und ich kann nicht anders“, sagt der 48-Jährige. In der Halle brandet Applaus auf. 

Von den Delegierten wird Nouripour im Anschluss mit 79,1 Prozent wiedergewählt, kommt damit aber auf weniger Stimmen als noch bei seiner ersten Wahl zum Parteivorsitzenden vor zwei Jahren. Er führt die Partei auch weiter gemeinsam mit Lang an, die 29-Jährige kommt in Karlsruhe auf 82,3 Prozent. 

In der Vergangenheit hat Nouripour immer wieder davon gesprochen, dass für ihn als jungen politisch Interessierten mit Migrationshintergrund die Grünen eigentlich die einzige Option gewesen seien – als Partei, in der seine Herkunft keine Rolle gespielt habe. „Meine Geschichte wäre in keiner anderen Partei möglich gewesen“, betont der alte und neue Parteichef auch in Karlsruhe. 

Seine Rede führt zum – bislang – zweiten Moment der Ergriffenheit auf dem diesjährigen Parteitag. Am Abend zuvor hat Außenministerin Annalena Baerbock, sichtlich bewegt, ihre Begegnung mit einem israelischen Mann geschildert. Dieser habe sich vor dem Terrorangriff der Hamas ohne Böses zu ahnen von seiner Frau und seinen beiden Kindern verabschiedet. Und sie seitdem nicht wiedergesehen.

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