Klimawandel: Klimaschutz und Wirtschaftswachstum? Warum beides zusammen (nicht) funktioniert

Konsum und Wachstum behindern den Klimaschutz. Und der Klimawandel beeinflusst die Wirtschaft. Was das genau bedeutet, haben Forscher untersucht.

Die Nachrichten klingen gut: Die klima– und umweltschädlichen Folgen sinken laut EU-Berichten. Also alles richtig gemacht? Nein, sagen Autoren einer anderen Studie, die im Fachmagazin „Nature Sustainability“ erschienen ist. Die internationale Forschergruppe hatte sich angesehen, wie sich der Konsum innerhalb der EU in zwischen 1995 und 2019 entwickelt hat und welche umweltschädlichen Folgen er haben kann.

Das Ergebnis: Die Auswirkungen des Überkonsums lagert die europäische Staatengemeinschaft in ärmere Länder aus. Belastungen durch Emissionen und Materialverbrauch stiegen demnach vor allem in östlichen Staaten wie Montenegro, Albanien, Serbien, Moldawien und der Ukraine, fand das Forscherteam heraus.PAID Interview FFF-Klimaaktivistin Pauline Brünger 18.54

Das Ergebnis bestätigt, was bereits bekannt ist: Wirtschaft und Konsum schaden dem Klima. Denn wenn Produktivität und Wohlstand wachsen, steigt auch der Bedarf an Ressourcen und Abfall. Die Erderwärmung schreitet voran, das Erreichen von Klimazielen wird unrealistischer.

Unbeständiges Wetter bremst die Wirtschaft

Umgekehrt beeinflusst auch der Klimawandel die Wirtschaft. Mit jedem Grad, um den die globale Temperatur steigt, verringert sich der Studie zufolge die globale Wirtschaftsleistung. Mit minus fünf Prozentpunkten rechnen Forscher vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), der Columbia University und dem Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC).

In ihrer Studie untersuchten sie, wie sich Temperaturschwankungen in den letzten 40 Jahren auf die Wirtschaftsleistung eines Landes auswirkten. Hierfür haben sie Daten aus mehr als 1500 Regionen weltweit gegenübergestellt. „Wir zeigen, dass unbeständiges Wetter die Wirtschaft bremst“, fasst Co-Autor Anders Levermann vom PIK und der Columbia University in New York die Studienergebnisse zusammen.

Besonders betroffen sind demnach Länder des globalen Südens, weil deren Jahresdurchschnittstemperatur verglichen mit dem globalen Norden relativ konstant bleibt. Während etwa in Russland und Kanada über das Jahr hinweg die Temperatur um 40 Grad schwankt, sind es in Teilen Lateinamerikas und Südostasiens lediglich drei Grad. Durch den Klimaveränderungen kommt es aber auch dort häufiger zu Extremwetterereignissen, unter anderem stärkeren Temperaturschwankungen.Hohe Temperaturen kosten Wirtschaft Milliarden 15.20

„Wir wissen schon länger, dass Veränderungen der Jahresmitteltemperatur das gesamtwirtschaftliche Wachstum beeinflussen“, erklärt Erstautor Maximilian Kotz vom PIK. Die Studie zeige, welchen Einfluss kurzfristige Temperaturschwankungen haben können.

Volkswirtschaften in Europa und Nordamerika sind mit verschiedenen Jahreszeiten und saisonalen Temperaturunterschieden gewachsen, haben sich also entsprechend angepasst. Je vertrauter eine Region mit (großen) Temperaturschwankungen ist, desto besser ist sie auch darauf vorbereitet. Versicherungen und das Risikomanagement sind dementsprechend weiterentwickelt, heißt es in der Studie.

Und trotzdem wären die Verluste durch weitere Emissionen und steigende Temperaturen beträchtlich, analysiert die Organisation „Nationales Büro für Wirtschaftsforschung“ in den USA. 2100 könnten sie, je nach Szenario, bei 58 Billionen Euro liegen. Würde das 1,5 Grad-Ziel eingehalten (warum das nicht mehr zu schaffen ist, lesen Sie hier), würde sich das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,07 Prozent reduzieren. Steigt die Temperatur um 2 Grad, wären es 7,22 Prozent.

Ärmere Länder haben kein Geld für Klimaschutz

Staaten mit ohnehin geringem Budget befinden sich laut den PIK-Forschern in einem Dilemma: Wie gut sich Länder an Temperaturschwankungen und an den Klimawandel anpassen, hängt von ihrer wirtschaftlichen Lage ab. Für viele Schwellen- und Entwicklungsländer stellt sich die Frage nach Klimaschutzmaßnahmen nicht, weil der notwendige Wohlstand fehlt.Investitionen in den Klimawandel lohnen sich_15.15

Das bestätigt auch der Environmental Performance Index (EPI), ein datengestütztes Instrument, das den Zustand der Nachhaltigkeit eines Landes bewertet. Länder mit florierender Wirtschaft investieren demnach stärker in Klimaschutzpolitik. Deutschland rangiert auf Platz 13, die ersten drei Plätze belegen Dänemark, Großbritannien und Finnland. Auf dem letzten Platz steht Indien.

Wachsende Wirtschaft und Klimaschutz: Geht das?

Die Forscher des Weltklimarats (IPCC) sind sich aber sicher, dass Klimaschutz funktionieren kann, wenn die Wirtschaft weiter floriert. In ihrem fünften Sachstandsbericht sind 116 Szenarien aufgeführt, in denen die Wirtschaftsleistung eines Landes um zwei bis drei Prozent steigt, das Temperaturlimit von weniger als zwei Grad aber eingehalten werden kann. Allerdings rechnen die Forscher darin nicht mit der Verlagerung auf erneuerbare Energien, sondern mit einer CO2-Entnahme aus der Atmosphäre. Wie das genau funktionieren soll, ist bis heute unklar, die notwedigen Technologien sind kaum erprobt.

Experten wie Jon Erickson, Wirtschaftsökonom am Gund Institute for Environment in Vermont, hält die Szenarien des IPCC daher für unrealistisch. Aus seiner Sicht könnte lediglich eine stagnierende oder schrumpfende Wirtschaft das Klimaproblem lösen. Doch das würde zahlreichen Menschen die Existenzgrundlage ruinieren.Studie Tempolimit 16.54

CO2-Handel ist kein Ausweg für die Wirtschaft

Doch auch der Handel mit Emissions-Zertifikaten ist offenbar unwirksam. Mit den von den Vereinten Nationen vermittelten CO2-Zertifikaten können Unternehmen ihre Emissionen kompensieren und ihre Produkte als „klimaneutral“ kennzeichnen. Nach Recherchen der „Wirtschaftswoche“ und Flip sind die Zertifikate wertlos. Klimaforscher Martin Cames vom Öko-Institut etwa geht davon aus, dass bis zu 85 Prozent der UN-Projekte dem Klima nicht so helfen, wie sie es vorgeben.

Flip und die „Wirtschaftswoche“ untersuchten nach eigenen Angaben unter anderem ein Staudamm-Projekt in Brasilien, dessen CO2-Zertifikate ein brasilianisches Unternehmen in dem Online-Shop der UNO anbietet. Nach Angaben verantwortlicher Mitarbeiter des Betreibers wäre der Staudamm auch ohne das Geld aus den Zertifikaten gebaut worden. Das Projekt spart demnach keine zusätzlichen Emissionen ein. 

Quellen: Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, National Bureau of Economic Research, Environmental Performance Index, „Deutsche Welle“, mit Material von DPA und AFP

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