Impf-Debakel in der EU: Klare Ansage an Astrazeneca: Von der Leyen droht mit Exportstopp von Impfstoff

Die EU lässt bisher die Ausfuhr von Corona-Impfstoff zu, obwohl der hier Mangelware ist. Das könne man den Bürgern kaum noch erklären, sagt von der Leyen. Exportverbote könnten aber auch nach hinten losgehen.

Wegen des Mangels an Corona-Impfstoff in der Europäischen Union schlägt Kommissionschefin Ursula von der Leyen gegenüber den Herstellern härtere Töne an. Am Wochenende drohte sie mit weiteren Exportbeschränkungen vor allem gegen Astrazeneca sowie gegen Großbritannien. Der EU-Gipfel Ende der Woche soll entscheiden, wie stark die Zügel angezogen werden. Auch die Möglichkeit für direkte Impfstoff-Spenden der EU an ärmere Länder sieht von der Leyen derzeit nicht, wie sie der Funke-Mediengruppe sagte.

Die EU-Kommission hatte bereits am Mittwoch neue Exportauflagen ins Spiel gebracht, Details aber offen gelassen. Nach ihren Angaben wurden seit 1. Februar mindestens 41 Millionen Dosen Impfstoff aus der EU exportiert, obwohl hier Impfstoff fehlt und Impfungen nur langsam vorankommen. Zehn Millionen Impfdosen aus der EU gingen den Angaben zufolge allein nach Großbritannien. PAID Astra Zeneca: ungeliebt, Doch gut 16.22

Von der Leyen: Astrazeneca liefert nicht genug

„Ich kann europäischen Bürgern nicht erklären, warum wir Millionen Impfstoffdosen in Länder exportieren, die selbst Impfstoff produzieren – und von denen nichts zurück kommt“, sagte von der Leyen in dem Zeitungsinterview. „Wir sind offen, aber das muss verhältnismäßig sein und auf Gegenseitigkeit beruhen.“

Der britisch-schwedische Hersteller Astrazeneca habe im ersten Quartal nur 30 Prozent der vereinbarten Menge geliefert. Vertraglich sei klar geregelt, dass die EU auch Astrazeneca-Impfstoff aus Fabriken in Großbritannien erhalte. „Von den Briten haben wir aber nichts bekommen, während wir ihnen Impfstoff liefern“, sagte von der Leyen. „Wir haben die Möglichkeit, einen geplanten Export zu verbieten. Das ist die Botschaft an Astrazeneca: Du erfüllst erst deinen Vertrag gegenüber Europa, bevor du beginnst, in andere Länder zu liefern.“ 

Astrazeneca wurde bereits Anfang März einmal ein Export verboten – Italien stoppte eine Lieferung von 250.000 Dosen nach Australien. Denn bereits seit 1. Februar gelten Exportkontrollen und eine Genehmigungspflicht. Es war der bisher einzige bekannte Antrag Astrazenecas, größere Mengen auszuführen. Will die EU wirklich mehr hier hergestellten Impfstoff behalten, müsste sie wohl auch auf andere Hersteller zielen. So liefert vor allem Biontech/Pfizer Vakzine nach Großbritannien.

Droht ein „Impfstoffkrieg“?

Dort löste von der Leyens Drohung mit neuen Exportauflagen Empörung aus. Die „Financial Times“ schrieb, Premierminister Boris Johnson habe von der Leyen im vertraulichen Gespräch vor einem „Impfstoffkrieg“ gewarnt. Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace warnte die EU am Sonntag bei Sky News, es wäre kontraproduktiv, Impfstoffexporte zu stoppen: „Denn was wir sicher über Impfstoffproduktion wissen, ist, dass sie gemeinschaftlich abläuft.“ Auch der Verband forschender Arzneimittelhersteller wandte sich in der „Ärztezeitung“ gegen einen EU-Exportstopp, weil dies „die ganze Logistikkette ins Straucheln“ bringen könnte. Impfmanagment USA-Europa 18.15

Zuvor hatte der britische „Telegraph“ gemeldet, Pfizer/Biontech beziehe wichtige Zutaten für die Produktion in der EU aus Großbritannien. Dies wurde am Wochenende aus EU-Kreisen auch bestätigt. Die EU ziele gar nicht darauf, Impfstofflieferungen an Großbritannien abzustellen, hieß es in Brüssel. Vielmehr gehe es um Gegenseitigkeit und Verhältnismäßigkeit. EU-Kommissarin Mairead McGuinness sagte der BBC: „Wir beliefern Großbritannien mit Impfstoffen, also bin ich der Meinung, dass es dabei nur um Offenheit und Transparenz geht.“

Impfstoffe sind ein Topthema beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag. Wegen stark steigender Infektionszahlen in Europa kann das Treffen der Staats- und Regierungschefs jedoch nicht in Brüssel stattfinden. EU-Ratschef Charles Michel plant stattdessen eine Videokonferenz, wie sein Sprecher am Sonntag mitteilte.

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