„Es war sehr, sehr schnell“: Eine Tote, etliche Verletzte und ominöse Schriftstücke – das ist über die Todesfahrt von Berlin bekannt

Großeinsatz im Berliner Zentrum. Am Vormittag war ein Autofahrer in eine Personengruppe gefahren und hatte eine Frau getötet, weitere Menschen verletzt. Was bisher bekannt ist: über den Fahrer, die Opfer, die Ermittlungen.

Eine tote Frau, mehrere Verletzte – und jede Menge Fragen. Nachdem ein Autofahrer an der Berliner Gedächtniskirche in eine Menschengruppe gefahren ist, laufen die Ermittlungen der Polizei – zum Hergang der Todesfahrt und zu einem Motiv. Laut Innensenatorin Iris Spranger (SPD) spricht nach jüngsten Erkenntnissen am späten Abend vieles für eine „Amoktat eines psychisch beeinträchtigten Menschen“. Ein Bekennerschreiben soll es – anders als es am Nachmittag zeitweise verlautete – nicht geben, „Plakate“ aus seinem Wagen werden untersucht.

Was bisher über den Vorfall in Berlin bekannt ist – und was nicht (Stand: 8. Juni, 21.45 Uhr):

Hergang der Todesfahrt

Nach Polizeiangaben ist ein Mann um 10.26 Uhr mit einem silberfarbenen Renault Clio an der Straßenecke Kurfürstendamm / Rankestraße auf dem Bürgersteig in eine Menschengruppe gefahren. Rund 200 Meter weiter soll er das Auto kurz vor der Ecke Tauentzienstraße / Marburger Straße erneut auf den Gehweg gelenkt, ein anderes Auto gerammt und anschließend im Schaufenster einer Douglas-Filiale zum Stehen gekommen sein. „Es war sehr, sehr schnell, bestimmt 150“, erinnerte sich ein Augenzeuge laut Nachrichtenagentur DPA. Die Polizei ermittelt noch den genauen Ablauf.

Karte der Todesfahrt von Berlin
© DPA Grafik

Tote und Verletzte

Eine Frau ist der Polizei zufolge gestorben. Nahe der Kreuzung Kurfürstendamm / Rankestraße / Tauentzienstraße lag am Vormittag eine abgedeckte Leiche. Es handelt sich um eine Lehrerin aus dem nordhessischen Bad Arolsen. Nachdem zunächst von bis zu 30 Verletzten die Rede war, konnte die Zahl nach unten korrigiert werden. Am Abend sprach die Polizei von 14 Verletzten, die alle aus der nordhessischen Schülergruppe stammten. Davon seien bis zu sechs lebensgefährlich und drei schwer verletzt, darunter ein Lehrer. Zudem soll es leichter verletzte Menschen geben. Der hessischen Landesregierung zufolge waren die Schülerinnen und Schüler einer zehnten Klasse in der Hauptstadt auf Klassenfahrt. Auch nach Bad Arolsen wurden Betreuungsteams geschickt. Weitere Angaben lagen zunächst nicht vor. „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir Informationen zu den Verletzten nicht bekanntgeben, bevor die Angehörigen informiert sind“, hieß es von der Polizei.

Fahrer des Autos

Der Fahrer des Renault Clio ließ sich nach der Fahrt von Passanten festhalten und an die Polizei übergeben. Er wurde vorläufig festgenommen. Es handelt sich den Ermittlerinnen und Ermittlern zufolge um einen 29-jährigen Berliner. Laut DPA soll er bereits polizeibekannt gewesen sein – allerdings nicht in Zusammenhang mit Extremismus. Der Wagen gehört demnach der Schwester des Mannes, zu der die Polizei nach eigenen Angaben am Abend Kontakt hatte. Es seien Schriftstücke und Plakate in seinem Wagen gefunden worden, sagte Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD). Über den Inhalt wurde zunächst wenig bekannt, Spranger erklärte, es gebe Äußerungen mit Bezug zur Türkei, ohne ins Detail zu gehen. Ob sie im Zusammenhang mit der Fahrt stehen, ist noch unklar. Die „Bild“-Zeitung zitierte einen Ermittler: „Auf keinen Fall ein Unfall – ein Amokläufer, ein eiskalter Killer.“ Eine Polizeisprecherin bestätigte dies auf Anfrage nicht. Spranger (SPD) kündigte an, der Tatverdächtige werde überprüft, „in alle Richtungen“. 

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Ermittlungen

Kurz nach der möglichen Amokfahrt war die Polizei mit rund 130 Beamtinnen und Beamten vor Ort, die Feuerwehr mit mehr als 100. Auch Polizei- und Rettungshubschrauber waren im Einsatz. Polizeisprecher Thilo Cablitz versicherte, dass alle Varianten von seinen Kolleginnen und Kollegen überprüft werden: ein Unfall, ein medizinischer Notfall oder eine vorsätzliche Tat. Den Ermittlerinnen und Ermittlern gehe es unter anderem darum, den Hergang detailliert zu rekonstruieren. Auch viele Stunden, nachdem der Autofahrer in die Menschenmenge gefahren war, lief die Untersuchung des Fahrzeugs weiter. Die Umgebung war weiträumig abgesperrt. Die Ermittlungen stehen noch am Anfang. Ob sich der festgenommene Mann bereits geäußert hat, ist nicht bekannt; am Abend durchsuchte ein Sondereinsatzkommando seine Wohnung im Stadtteil Charlottenburg, wie die Polizei bestätigte. Die Ermittler bitten Zeuginnen und Zeugen, Hinweise, Videos oder Fotos über ein Hinweisportal im Internet bereitzustellen.

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Reaktionen

Für Betroffene der Todesfahrt, für Zeuginnen und Zeugin, aber auch für die Einsatzkräfte wurde eine psychosoziale Betreuung vor Ort organisiert. Angehörige können sich unter (030) 84854460 an die Polizei wenden. Am Abend fanden sich zahlreiche Menschen zu einer Gedenkandacht in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ein – darunter Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Der Vorfall löste auch überregional Bestürzung aus. „Meine Gedanken sind bei den schwer und sehr schwer Verletzten, bei dem Todesopfer“, erklärte zum Beispiel Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Die Bundesregierung hat ebenfalls ihr Mitgefühl ausgedrückt. Giffey machte sich während des Tages vor Ort ein Bild von der Lage. „Wir werden alles dafür tun, den Betroffenen zu helfen“, sagte die SPD-Politikerin. Auch die hessische Landesregierung äußerte sich: „Diese schockierende Nachricht aus Berlin macht mich fassungslos und tief betroffen. Meine Gedanken sind bei den Opfern, die voller Freude auf einer Klassenfahrt in der Hauptstadt waren“, teilte Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) mit.

Quellen: Polizei Berlin, Feuerwehr Berlin, „Bild“-Zeitung, Nachrichtenagenturen DPA und AFP

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