Abschiebeverbot nach Afghanistan unter Umständen auch für junge Männer

Wegen der katastrophalen Lebensbedingungen im von den Taliban beherrschten Afghanistan dürfen auch prinzipiell erwerbsfähige junge Männer derzeit nicht aus Deutschland in ihr Heimatland abgeschoben werden, wenn sie nicht über ein tragfähiges soziales Netzwerk oder eigenes Vermögen verfügen. Das entschied der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in einem am Dienstag in Mannheim veröffentlichten Grundsatzurteil, in dem es um den Fall eines nicht näher genannten Klägers ging. Es greife in solchen Fällen ein nationales Abschiebungsverbot aufgrund individueller Umstände. (Az. A 11 S 1329/20)

Bei dem Kläger handelt es sich um einen jungen Mann, dessen Asylantrag von Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) abgelehnt wurde. Auch ein alternativer Ersuchen nach Gewährung sogenannten subsidiären Schutzes wurde abschlägig beschieden. Dagegen klagte der Betroffene dann vor dem VGH, scheiterte mit diesem Hauptanliegen aber. In ihren Urteil bestätigten die Mannheimer Richterinnen und Richter die Einschätzung des Bamf.

Allerdings sah das Gericht zugleich ein Abschiebungshindernis „angesichts der prekären Lebensverhältnisse in Afghanistan„. Selbst im Fall eines erwerbsfähigen erwachsenen Manns greife laut deutschen und europäischen Rechtsnormen trotz fehlender Anerkennung als Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigter ein Abschiebeverbot, wenn im individuellen Fall derart ungünstige Bedingungen herrschten, dass selbst die Befriedigung elementarer Bedürfnisse wie Nahrung und Unterkunft absehbar nicht gewährleistet sei.

Nach Einschätzung des VGH ist dies bei dem Kläger gegeben, weil dieser völlig auf sich allein gestellt ist und über kein unterstützendes familiäres oder soziales Netzwerk innerhalb oder außerhalb Afghanistans verfügt. Er habe auch kein relevantes Vermögen, erklärte der VGH. Eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht ließ er nicht zu. Dagegen könnte die Bundesrepublik allerdings noch juristisch vorgehen.

Vor rund eineinhalb Jahren übernahmen die radikalislamischen Taliban in Afghanistan erneut die Macht. Seitdem verschärfte sich die ohnehin schon schwierige humanitäre und wirtschaftliche Lage in dem seit Jahrzehnten von Gewalt gezeichneten Land drastisch. Dramatisch ist die Situation insbesondere für Frauen, die massiver Diskriminierung unterliegen.

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